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26
Januar
Ackermann
von Schlump

Ich bin enttäuscht.
Ackermann bezahlt 3,2 Millionen Euro, damit der Mannesmannprozess vorzeitig eingestellt wird. Die Verteidigung hatte das beantragt und Staatsanwaltschaft und Gericht folgten dem Vorschlag - der Verdacht der Untreue wurde zu den Akten gelegt. Das tolle an dieser Lösung ist, dass alle Seiten zufrieden sind. Herr Ackermann weil er einem Imageschädigendem Prozess und einer eventuellen Verurteilung entgeht. Vor allem aber kann er seine Spitzenposition in der Deutschen Bank behalten, die er abgeben wollte, wäre es zu einer Verurteilung gekommen. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sind ebenfalls zufrieden und begründen die Entscheidung damit, dass das Justizsystem entlastet werden kann. Denn der Prozess hätte sich zu lange hingezogen und die möglichen Urteile würden kaum von den jetzt vereinbarten Summen abweichen. Außerdem sei die Beweislage nicht ausreichend erdrückend gewesen und das Schlimmste wäre gewesen, am Ende ohne Verurteilung und ohne Geld dazustehen. In der Tat ist die Entscheidung der Justiz rechtskonform. Artikel 153a der Strafprozessordnung enthält diese Möglichkeit und mit freikaufen habe das überhaupt nichts zu tun, beteuerte die Verteidigung. Das sehe ich anders. Und deswegen bin ich enttäuscht.
Für Ackermann sind die 3,2 Millionen Eure Peanuts und genau darin liegt das Problem. Nach seinen eigenen Angaben verdient Ackermann 15 bis 20 Millionen Euro jährlich. Über 90% der deutschen Bevölkerung wäre nicht in der Lage gewesen, mal eben gut drei Millionen für gemeinnützige Zwecke zu überweisen, um einen unangenehmen Prozess einzufrieren. Das allein ist schon Unrecht. Und hat mit Ober- und Unterschicht erst mal gar nichts zu tun. Es ist ein Problem zwischen einer Führungselite und dem gemeinen Volk. Es ist einem Arbeitslosen einfach nicht zu erklären, warum fünf Millionen Menschen ohne Job sind und Ackermann im Jahr mindestens 15 Millionen verdient. Selbst wenn er 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag arbeiten würde, entspräche das einem Stundenlohn von 1700€. Das ist deutlich mehr, als eine Krankenschwester im Monat verdient. Nun kann man argumentieren, dass Ackermann einen verantwortungsvollen Job macht. Er leitet das größte Kreditinstitut Deutschlands, trägt die Verantwortung für ca. 65.000 Arbeitsplätze und bis zum dritten Quartal erwirtschafteten seine Mitarbeiter mit ihm an der Spitze ca. 6,3 Milliarden Euro Gewinn. Natürlich trägt Herr Ackermann Verantwortung. Das ist richtig. Vielleicht mag das Jahresgehalt unter diesen Gesichtspunkten sogar angemessen sein, aber darüber kann man streiten. Nun steckt in Verantwortung aber nicht nur Gewinnmaximierung und der Umbau der Deutschen Bank zum global Player. Darin liegt auch Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit gegenüber den Mitarbeitern, den Kunden, ja selbst gegenüber der Gesellschaft. Und diesem Aspekt der Verantwortung wird Ackermann nicht gerecht. Als Mannesmann Opfer der feindlichen Übernahme durch Vodafone wurde, hat Ackermann allem Anschein nach keine rühmliche Rolle gespielt. Ob Unrecht geschehen ist, das sollte im Gerichtsverfahren geklärt werden. Ackermann hätte Verantwortung übernehmen können für seine Taten und den Menschen erklären, warum er so gehandelt hat. Stattdessen nimmt er gut drei Millionen Euro und kauft sich aus der Verantwortung vor Gericht frei, mit jenem Geld, das er bekommt, weil er einen verantwortungsvollen Job hat. Juristisch mag Ackermann sich nicht freigekauft haben, in meinem Empfinden aber, hat er genau das getan. Deshalb bin ich enttäuscht.
Nun ist klar, dass sich niemand selbst ans Messer liefert, auch Ackermann nicht. Dass er kämpfte und versuchte dem Verfahren zu entgehen, mag angesichts der großen Verantwortung und Führungsstärke Zeichen eines schwachen Rückgrats sein. Vor allem aber ist es menschlich und das steht auch Ackermann zu. Die Selbstlosigkeit mag edel sein, verbreitet ist sie unter Menschen nur selten. Gerade deshalb muss Aufgabe der Justiz sein die Wahrheit ans Licht zu bringen, auch gegen den Willen der Angeklagten. Es ist ihre Aufgabe Recht walten zu lassen und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Vor allem aber werden die Urteile im Namen des Volkes gesprochen, denn die Paragrafen nach denen die Richter urteilen, sind Gesetze des Volkes. Deutschland ist eine Demokratie, aber das scheinen die Düsseldorfer Richter vergessen zu haben. Sie urteilten einzig nach dem Kriterium der Rechtskonformität und ignorierten die öffentliche Meinung. Der Mannesmannprozess war der größte Wirtschaftskrimi der deutschen Nachkriegsgeschichte und seine Signalwirkung war beispiellos. Was dort geschrieben wurde, war Rechtsgeschichte. Nach meinem Gefühl gab es kaum jemanden, der die Einstellung des Verfahrens begrüßte. Es ist Unrecht geschehen, warum wird es nicht geahndet? Weil der Angeklagte über das nötige Kleingeld verfügte? Es ging um mehr, als nur um Ackermann. Es ging um das Problem der Managergehälter, um knapp 5 Millionen Arbeitslose und das Gefühl vieler Menschen, dass die obere Elite machen könne, was sie wolle. Ich hätte ein Exempel erwartet, ein „Stopp“ für die Ackermänner und zwar im Namen des Volkes. Es ging nicht nur um Untreue. Mir ging es nicht nur darum. Den Düsseldorfer Richtern schon. Ansonsten hätten sie das Verfahren fortgeführt, egal was am Ende rausgekommen wäre. Ich bin enttäuscht.
Nun ist natürlich nicht Aufgabe der Justiz dem Volk nach dem Mund zu reden. Auf keinen Fall. Gerichtsurteile haben die Aufgabe geltendes Recht zu vollstrecken. Doch im Mannesmannprozess entschieden sich die Richter zur Einstellung des Verfahrens, einen ersichtlichen Grund, gab es dafür nicht. Die öffentliche Meinung verlangte einen Prozess, aber die Richter haben sie ignoriert. Sie hatten eine Wahl. Darum geht es. Die Fortführung des Verfahrens wäre genauso rechtskonform gewesen und das ist der Skandal. Eben weil die Justiz im Namen des Volkes urteilt und eben weil die öffentliche Meinung so aufgeheizt war und weil es um mehr ging, als um Ackermann, hätte das Düsseldorfer Gericht die Pflicht gehabt den Prozess zu führen. Weil Urteilen manchmal mehr ist als Paragrafen zu erfüllen. Der Glaube in das deutsche Rechtsystem hat einen Kratzer bekommen.
Was bleibt ist das Gefühl, dass bei der Mannesmannübernahme durch Vodafone Unrecht geschehen ist. Es bleibt das Gefühl, dass sich durch Geldzahlungen Türen öffneten, die ansonsten verschlossen geblieben wären. Kleinanleger wurden um ihr Geld gebracht, Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze und das Unternehmen selbst um seine Zukunft. Was bleibt sind Wut und Enttäuschung. Über die Herren Richter, denen es nur um Rechtskonformität ging und nicht um Gerechtigkeit. Was bleibt ist das Gefühl, dass es Eliten in Deutschland gibt, die machen können, was sie wollen, auch wenn es Unrecht ist.

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