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29
Januar
Der Markt heilt die Welt
von Schlump
Wenn es ein Problem in unserer Welt gibt, dann kann es der Markt lösen. Und das gilt nicht nur für die Welt, sondern auch für die EU, für die Bundesstaaten der BRD und für die Städte und Gemeinden sowieso. Die Zauberformel, die alles einfacher, effizienter und billiger macht, heißt Privatisierung. Alles was einst der Staat geregelt hat, wofür die Gemeinde zuständig war, das wird heute gern und oft dem Markt übergeben, denn der Markt macht alles besser. Er heilt die Welt. Deshalb wird der Müll heute von privaten Unternehmen abgeholt, eben weil es billiger, weil es effizienter ist, weil Konkurrenz das Geschäft belebt. Deshalb wurde auch die Deutsche Post privatisiert und die Bahn in ein profitorientiertes Unternehmen verwandelt. Die Liste lässt sich beliebig weiterführen: Energiekonzerne, Wasserversorger, die Flugsicherung und vieles mehr soll unter das Dach des Marktes fallen. Letztere bewahrte Bundespräsident Köhler wegen verfassungsrechtlicher Bedenken vor der Privatisierung - vorerst. Doch die Bundesregierung ist fest entschlossen das Grundgesetz zu ändern, damit die Flugsicherung doch noch verkauft werden kann, denn das spült Geld in die leeren Kassen Steinbrücks. Doch die Gewerkschaft der Fluglotsen warnt. Bei privaten Unternehmen steht der Gewinn an erster Stelle und nicht die Sicherheit der Menschen. Und sie hat Recht. Gewinn ist der Gott des Marktes. Seit vielen Jahren dauert der Boom der Privatisierung jetzt schon an. Ein Ende ist nicht in Sicht. Geheilt hat der Markt nur selten. Die Energiepreise sind rasant gestiegen, obwohl nun private Unternehmen Gas, Öl und Strom zum Kunden liefern. Auch die Fahrkarten der Deutschen Bahn kosten heute deutlich mehr, als unter staatlicher Hoheit. Und selbst die Müllgebühren sind in den meisten Gemeinden gestiegen, die sich aus dem Entsorgungsgewerbe zurückgezogen haben. Hinzu kommen nicht selten Mitarbeiterentlassungen und Lohnsenkungen, denn der Markt wirtschaftet ja effizienter. Privatisierung führte zumindest auf Ebene der Länder und Gemeinden zu mehr Arbeitslosen. Die beziehen jetzt Hartz IV, vom Staat bezahlt. Und plötzlich zahlt der Staat doch wieder drauf. Und nur zur Erinnerung: Des Staates Geld kommt aus den Taschen seiner Bürger. Gestiegene Preise und weniger Arbeitsplätze sind das eine. Sicherheit das andere. Nachdem in Großbritannien das Schienennetz privatisiert wurde sackten die Sicherheitsstandards ins bodenlose: Gewinnmaximierung auf Kosten der Investitionen. Erst nach einigen Unglücken und so manchem Toten wurde wieder mehr investiert. Dem gleichen Vorwurf sah sich RWE im letzten Winter ausgesetzt, als brüchige Strommasten vor Kälte einknickten und zu langfristigen Stromausfällen führten. Geheilt hat der Markt in all diesen Fällen nicht. Im Gegenteil. Er verteuerte die Leistungen, beförderte Menschen in die Arbeitslosigkeit und senkte das Sicherheitsniveau. Deshalb war Köhlers Entscheidung ein Segen, die Flugsicherung in öffentlicher Hand zu belassen. Weil privaten Firmen im Zweifel Gewinn wichtiger sein wird, als Sicherheit. Aber vielleicht verstehe ich Heilung auch ganz falsch. Und vielleicht ist Sicherheit in einer Marktwirtschaft auch gar nicht so wichtig, vielleicht habe ich da nicht aufgepasst. Neuerdings werden in Deutschland auch immer mehr Wasserversorger an private Hände veräußert. Vorbild ist die gut funktionierende Wasserwirtschaft in Lateinamerika. Allein in Chile befinden sich mehr als 80% des Grundwassers in privaten Händen. Tatsächlich funktioniert die Wasserwirtschaft dort sehr gut, denn die Gewinne sprudeln. Marktwirtschaftlich ein voller Erfolg. Das Menschen verdursten und Felder eingehen, weil die arme Landbevölkerung die Rechnungen nicht bezahlen kann, sind für den Markt kein Kriterium. Wasser gegen Geld. Punkt. Denn auch Grundrechte müssen neuerdings gekauft werden, schließlich leben wir ja nicht mehr im Kommunismus. Wasser für jeden? Wo kämen wir denn da hin? Aber Gott sei Dank hat der Markt uns ja geheilt. Das nächste Ziel der Wirtschaft ist auch schon auserkoren. Gefängnisse sollen privatisiert werden, nachdem es Krankenhäuser schon lange sind. Warum auch nicht? Wir könnten auch unsere Straßen verkaufen oder warum nicht gleich ganze Gemeinden? Der Markt heilt, also soll er doch komplett die öffentliche Hand schlucken, sie verändern und alles effizienter, billiger und besser machen. Also los ihr Kommunen und Staaten, verkauft euch an den Markt und lasst euch von ihm heilen. Folgt dem Dogma, dass Privatisierungen immer besser, immer billiger und immer effizienter sind, als der Staat es je sein kann. Dass jeder nur gewinnen kann. Vor allem die Manager mit großzügigen Gehältern. Ein paar Arbeitsplätze weniger sind da doch ein hinzunehmendes Opfer. Und vor allem macht es schnell, denn die Zeit drängt. Je länger ihr überlegt und zweifelt, so wahrscheinlicher wird, dass euer Auge auf Gemeinden wie Aachen oder Bergkamen fällt, die ihre Müllabfuhr wieder selbst regeln, ohne Unternehmen. Und die dabei richtig viel Geld sparen, Mitarbeiter würdig bezahlen und Sicherheit garantieren.
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