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31
Januar
Guck mal weg!
von lurg
Was gibt es denn heute zum Frühstück? Natürlich, eine Portion mediale Ballaststoffe. Sie füttern einen Großteil unserer Bürger den ganzen Tag über mit dem Nötigen. Klatsch & Tratsch sind dabei genauso enthalten wie geistloser Alltagsdreck, peinliche Semiprominente und humorlose Komiker, bei denen ich meist vor lauter Stumpfsinn meinen Schädel gegen die Wand kloppen könnte – der Masse gefällt es. Es ist wichtig sich zu ernähren, doch leider ist neben Fettleibigkeit auch die Hirnschmalheit auf striktem Vormarsch, in bestimmten Gesellschaftsschichten, eben jenen, die in dem riesigen Mühlrad der Medien- und Konsumlandschaft einfach nur Körner sind, Opfer, unfähig sich vor der penetranten Reizbestrahlung zu schützen. Zwanghaft greifen sie jeden Tag erneut zur Fernbedienung und ziehen sich die Probleme, Sorgen, Spaß und Erfolgsgeschichten anderer rein, stets in der Hoffnung ihr eigenes verkorkstes Dasein wie beim Videorekorder einfach zu überspielen. Es geht nicht mehr um den Inhalt des Programms, sondern nur um dessen Anwesenheit. Vermutlich könnte man auch einfach eine Show machen, in denen Leuten dabei zugesehen wird wie sie richtig deftig Kacken! Gucken würden es die Menschen trotzdem. Getreu dem Motto: Scheiße verkauft sich! Denn dies ist – wohl unabstreitbar – der rote Faden der derzeitigen Fernsehlandschaft. Glück auf! Besser wird es auch nicht, indem man sich sagt: „Wenn nun mal nur Schrott läuft, dann guck ich den halt, besser als gar nix.“ Hier gilt wie bei allem, nur der Konsument hat die Macht, niemand sonst. Wenn wir nicht mehr gucken, dann wird es auch nicht mehr laufen. Warum sollte dieses wundervolle Faktum der marktliberalen, neokongeilen Trendwende nicht auch für die Glotze gelten? DAS ist unser Anker, ein schwerer, egal wem sie die Kontrolle durch den Staat entziehen, mit diesem Schritt fällt er automatisch unter die Gesetze des Marktes, und die bestimmt der Konsument. Wir brauchen also – eigentlich ganz simpel – nur einen mündigen und bedachten Konsumenten, nur schade, dass man diesen wohl nur durch die Medien erzeugen kann. Tja, Ironie des Schicksals will man meinen – falsch! Es soll Zeiten gegeben haben, da wurden wichtige Nachrichten per Mundpropaganda verbreitet – und es hat funktioniert, sogar außerordentlich gut. Zu hoffen bleibt nur das Vorhandensein eines letzten kleinen Flackerns im Oberstübchen der medienparalysierten Köpfe, denn ohne Funken kein Feuer und ohne Feuer kein Waldbrand!
30
Januar
Unterricht zur Unterschicht
von lurg
Politiker sind ja dafür bekannt, dass sie gerne und vor allem viel reden. Schön und gut, es ist ja auch irgendwie Teil ihres Berufs. Leider ist „gerne und viel reden“ kein Garant dafür, dass die hervorkommenden Worte auch Sinn ergeben bzw. richtig sind. Es ist schon eine Weile her, da habe ich unseren Minister für Arbeit und Soziales – Franz Müntefering – bei den Tagesthemen einen Beitrag zur damalig aufkeimenden „Unterschicht-Debatte“ gehört. Da erklärte der liebe Franze man dürfe das Wort „Unterschicht“ nicht benutzen, denn damit würde ja die ärmere Bevölkerung diskriminiert. Ich finde, das Wort trifft hervorragend auf die Realität, wenn also Franze eben jene Menschen die unter diesen Begriff fallen vor Diskriminierung schützen will, dann sollte er vielleicht bei sich anfangen. Denn wenn ich seinen Titel als Minister für Arbeit und Soziales recht verstehe, sollte er sich doch um die Belange derer kümmern, die keine gesicherte Arbeit, kein Eigenheim und häufig nach Abzug der Miete und sonstiger Nebenkosten gerade noch Geld für billiges Essen für den Rest des Monats haben. Also sollte er vielleicht, anstelle solch scheinheiliger Interviews, lieber den Abend damit verbringen über den Zweck seiner Tätigkeit und damit einhergehend über eine Lösung der mitunter gravierend schlechten Lage etlicher unserer Mitbürger nachzudenken. Denn eines sollte für alle klar sein: Es ist verdammt egal, ob man diese Menschen unter dem Begriff „Unterschicht“ oder „Mittellose“ oder „Neu-Arme“ oder „Schubidubi“ zusammenfasst. Denn nicht der Begriff ist diskriminierend, sondern der Lebensumstand. Wenn als letztes auch die Verantwortlichen dieses Faktum gerafft haben, verschwinden vielleicht auch endlich solch peinliche Auftritte in den öffentlichen Medien.
29
Januar
Der Markt heilt die Welt
von Schlump
Wenn es ein Problem in unserer Welt gibt, dann kann es der Markt lösen. Und das gilt nicht nur für die Welt, sondern auch für die EU, für die Bundesstaaten der BRD und für die Städte und Gemeinden sowieso. Die Zauberformel, die alles einfacher, effizienter und billiger macht, heißt Privatisierung. Alles was einst der Staat geregelt hat, wofür die Gemeinde zuständig war, das wird heute gern und oft dem Markt übergeben, denn der Markt macht alles besser. Er heilt die Welt. Deshalb wird der Müll heute von privaten Unternehmen abgeholt, eben weil es billiger, weil es effizienter ist, weil Konkurrenz das Geschäft belebt. Deshalb wurde auch die Deutsche Post privatisiert und die Bahn in ein profitorientiertes Unternehmen verwandelt. Die Liste lässt sich beliebig weiterführen: Energiekonzerne, Wasserversorger, die Flugsicherung und vieles mehr soll unter das Dach des Marktes fallen. Letztere bewahrte Bundespräsident Köhler wegen verfassungsrechtlicher Bedenken vor der Privatisierung - vorerst. Doch die Bundesregierung ist fest entschlossen das Grundgesetz zu ändern, damit die Flugsicherung doch noch verkauft werden kann, denn das spült Geld in die leeren Kassen Steinbrücks. Doch die Gewerkschaft der Fluglotsen warnt. Bei privaten Unternehmen steht der Gewinn an erster Stelle und nicht die Sicherheit der Menschen. Und sie hat Recht. Gewinn ist der Gott des Marktes. Seit vielen Jahren dauert der Boom der Privatisierung jetzt schon an. Ein Ende ist nicht in Sicht. Geheilt hat der Markt nur selten. Die Energiepreise sind rasant gestiegen, obwohl nun private Unternehmen Gas, Öl und Strom zum Kunden liefern. Auch die Fahrkarten der Deutschen Bahn kosten heute deutlich mehr, als unter staatlicher Hoheit. Und selbst die Müllgebühren sind in den meisten Gemeinden gestiegen, die sich aus dem Entsorgungsgewerbe zurückgezogen haben. Hinzu kommen nicht selten Mitarbeiterentlassungen und Lohnsenkungen, denn der Markt wirtschaftet ja effizienter. Privatisierung führte zumindest auf Ebene der Länder und Gemeinden zu mehr Arbeitslosen. Die beziehen jetzt Hartz IV, vom Staat bezahlt. Und plötzlich zahlt der Staat doch wieder drauf. Und nur zur Erinnerung: Des Staates Geld kommt aus den Taschen seiner Bürger. Gestiegene Preise und weniger Arbeitsplätze sind das eine. Sicherheit das andere. Nachdem in Großbritannien das Schienennetz privatisiert wurde sackten die Sicherheitsstandards ins bodenlose: Gewinnmaximierung auf Kosten der Investitionen. Erst nach einigen Unglücken und so manchem Toten wurde wieder mehr investiert. Dem gleichen Vorwurf sah sich RWE im letzten Winter ausgesetzt, als brüchige Strommasten vor Kälte einknickten und zu langfristigen Stromausfällen führten. Geheilt hat der Markt in all diesen Fällen nicht. Im Gegenteil. Er verteuerte die Leistungen, beförderte Menschen in die Arbeitslosigkeit und senkte das Sicherheitsniveau. Deshalb war Köhlers Entscheidung ein Segen, die Flugsicherung in öffentlicher Hand zu belassen. Weil privaten Firmen im Zweifel Gewinn wichtiger sein wird, als Sicherheit. Aber vielleicht verstehe ich Heilung auch ganz falsch. Und vielleicht ist Sicherheit in einer Marktwirtschaft auch gar nicht so wichtig, vielleicht habe ich da nicht aufgepasst. Neuerdings werden in Deutschland auch immer mehr Wasserversorger an private Hände veräußert. Vorbild ist die gut funktionierende Wasserwirtschaft in Lateinamerika. Allein in Chile befinden sich mehr als 80% des Grundwassers in privaten Händen. Tatsächlich funktioniert die Wasserwirtschaft dort sehr gut, denn die Gewinne sprudeln. Marktwirtschaftlich ein voller Erfolg. Das Menschen verdursten und Felder eingehen, weil die arme Landbevölkerung die Rechnungen nicht bezahlen kann, sind für den Markt kein Kriterium. Wasser gegen Geld. Punkt. Denn auch Grundrechte müssen neuerdings gekauft werden, schließlich leben wir ja nicht mehr im Kommunismus. Wasser für jeden? Wo kämen wir denn da hin? Aber Gott sei Dank hat der Markt uns ja geheilt. Das nächste Ziel der Wirtschaft ist auch schon auserkoren. Gefängnisse sollen privatisiert werden, nachdem es Krankenhäuser schon lange sind. Warum auch nicht? Wir könnten auch unsere Straßen verkaufen oder warum nicht gleich ganze Gemeinden? Der Markt heilt, also soll er doch komplett die öffentliche Hand schlucken, sie verändern und alles effizienter, billiger und besser machen. Also los ihr Kommunen und Staaten, verkauft euch an den Markt und lasst euch von ihm heilen. Folgt dem Dogma, dass Privatisierungen immer besser, immer billiger und immer effizienter sind, als der Staat es je sein kann. Dass jeder nur gewinnen kann. Vor allem die Manager mit großzügigen Gehältern. Ein paar Arbeitsplätze weniger sind da doch ein hinzunehmendes Opfer. Und vor allem macht es schnell, denn die Zeit drängt. Je länger ihr überlegt und zweifelt, so wahrscheinlicher wird, dass euer Auge auf Gemeinden wie Aachen oder Bergkamen fällt, die ihre Müllabfuhr wieder selbst regeln, ohne Unternehmen. Und die dabei richtig viel Geld sparen, Mitarbeiter würdig bezahlen und Sicherheit garantieren.
28
Januar
Globale Gerechtigkeit und Ich
von Schlump
„Natürlich bin ich für Gerechtigkeit. Und gegen Armut und Ausbeutung...“ Im Juni wird es wieder soweit sein. Die acht mächtigsten Industriestaaten der Welt treffen sich im deutschen Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern um über die Welt zu sprechen, ihren Einfluss darin und Strategien festzulegen, wie eine Weltordnung in zehn Jahren aussehen kann und soll. Um Heiligendamm wird ein 12km langer Sicherheitszaun gebaut, damit mögliche Demonstranten die Gespräche der Politiker nicht stören können. Dahinter dürfen sie sich dann versammeln, außer Sichtweite des Tagungsortes und Gerechtigkeit fordern, getrieben von der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Und sie werden zurecht Missstände anprangern, Hungertote in Afrika, Strafzölle für Waren aus der dritten Welt, subventionierte Agrarfrüchte, wirtschaftliche Abhängigkeit schwacher Staaten, Umweltzerstörung im Interesse globaler Unternehmen und Menschenrechtsverletzungen in Guantanamo und anderswo. In ihren Augen sind die mit Hubschraubern gekommenen Politiker innerhalb des Zauns Verbrecher und Egoisten, die Gerechtigkeit und Chancengleichheit mit Füßen treten. Und was mache ich selbst? Auf welcher Seite stehe ich? Unterstütze ich die idealistischen Forderungen der Weltverbesserer oder nehme ich die egoistische Politik der G8 einfach so hin? Muss ich mir überhaupt darüber Gedanken machen, wenn zwei Extreme um die Gestaltung der Welt kämpfen? Ja, ich muss. Diese Antwort ist deutlich und sie muss es sein. Denn in Heiligendamm geht es um nicht weniger, als um meine eigene Zukunft. Innerhalb des Zauns ebenso, wie davor. Deshalb muss ich mir eine Meinung bilden und mich fragen in welcher Welt ich leben möchte, was ich verantworten kann und was nicht. Ich muss entscheiden ob ich meinen europäischen Wohlstand oder ein Stück mehr Weltgerechtigkeit bevorzuge, ob ich die G8 befürworte oder vor dem Zaun demonstrieren gehe. Tatsächlich beginnt die Antwort im Alltag und sie findet sich irgendwo auf der Skala zwischen Egoismus und Selbstlosigkeit. Jeder Mensch trägt ein Bündel eigener Interessen mit sich rum und er wird von ihnen geprägt und gelenkt, beeinflusst und manches Mal herausgefordert. Egoismus bedeutet dann die eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen, während sich die Selbstlosigkeit am Anderen und seinen Bedürfnissen orientiert. Egoismus bedeutet, dass ich etwas für mich selbst tue, Selbstlosigkeit, dass ich einen Augenblick lang so tue, als ob es mich selbst gar nicht gäbe. Im Alltag bin ich unentwegt aufgefordert mich auf dieser Skala der beiden Extreme einzuordnen. Ich kann dem Bettler in der Fußgängerzone ein Brötchen kaufen oder ich lasse es sein. Ich kann Kröten über die Straße tragen, einer Mutter mit Kinderwagen eine Treppe hochhelfen, mich ehrenamtlich engagieren und meinen Freunden Trost spenden, obwohl ich am nächsten Tag eine wichtige Klausur schreibe. Ich kann das alles machen oder eben nicht. Bei jeder Entscheidung ordne ich mich dabei automatisch auf der Skala zwischen Egoismus und Selbstlosigkeit ein. Das tue ich sogar wenn ich die Mutter mit dem Kinderwagen anlächle, aber so in Gedanken bin, dass ich ihre Hilfsbedürftigkeit gar nicht bemerke und einfach weitergehe. Auch dann ordne ich mich ein, unbewusst, aber ich tue es. Die Auswirkungen meiner Entscheidungen sind minimal. Wenn ich meine hilfsbereite Seite hervorkehre wird mir danach wahrscheinlich mal mehr, mal weniger Dank entgegengebracht und ich habe für den Rest den Tages ein gutes Gefühl. Mit Weltpolitik hat weder die Mutter mit Kinderwagen, noch die Kröte etwas zu tun. Mein Egoismus oder meine Selbstlosigkeit bleibt auf mich selbst, die Mutter und die Kröte beschränkt. Aber was mache ich vor dem Supermarktregal, in dem zwei Schokoladen eingeordnet sind? Die erste kostet 65Cent, die zweite 2,20Euro. Der Preisunterschied kommt daher, dass Nummer Zwei fair gehandelt wurde, die Kakaobauern also nicht ausgebeutet wurden. Was mache ich dann? Wenn Gerechtigkeit ein wesentlicher Maßstab in meinem Leben sein soll, dann müsste ich die fair gehandelte Schokolade kaufen, kann ich sie mir nicht leisten, muss ich komplett verzichten. Wenn ich sie mir kaufe belastet das meine Geldbörse. Dank kann ich nicht erwarten, dafür ist Schokoladekaufen im Supermarkt zu anonym. Wo also ordne ich mich ein zwischen Selbstlosigkeit und Egoismus? Was ist mir meine so schnell und leicht geforderte Gerechtigkeit wert? Was ist mit Kleidung? Mit Schuhen? Was mit Hightechfernsehern und Autos? Orientiere ich mich am Preis oder an meinem Anspruch auf Gerechtigkeit? H&M, Adidas, Lexus und Sony produzieren in Billiglohnländern, in denen Arbeitnehmer wenig Rechte haben und zumindest in europäischen Augen ausgebeutet werden. Will ich das unterstützen um meine eigene Geldbörse zu schonen? Ist es gerecht fremde Menschen in fernen Ländern unter Bedingungen arbeiten zu lassen, unter denen ich nicht mal einen Besen anrühren, sondern schnurstracks zum Bundesverfassungsgericht stolzieren würde? Denn eines ist klar. Die Menschen in China, Bangladesh, Afrika oder Lateinamerika dürfen nicht mehr Lohn und nicht mehr Rechte bekommen, wenn die Europäer nicht bereit sind mehr Geld für diese Waren zu bezahlen. Ich mache die Niedriglohnfabriken ja erst profitabel, denn ich kaufe ihre Waren. Das spricht die Industriemanager nicht frei, aber es betont mein eigenes Stückchen Verantwortung. Das hat plötzlich schon etwas mit Weltpolitik zu tun. Und welchen Kurs soll Europa fahren? Immer öfter wird gefordert Europa zur Festung auszubauen um den Wohlstand zu sichern, um Macht zu erhalten und um Flüchtlinge, vor allem aus Afrika, an der Einreise zu hindern. Sie flüchten vor Krieg und Hunger, vor Aids und Perspektivlosigkeit. Wie stark muss es mich kümmern, dass europäisch subventionierte Agrarfrüchte afrikanische Märkte zerstören oder das argentinischer Regenwald für Rindersteaks gerodet wird, die in Deutschland gegessen werden? Und trage ich Verantwortung daran, dass in Indien Menschen verdursten und Ernten eingehen, weil Coca Cola für die Getränkeproduktion das Grundwasser anzapft, nur weil ich ein Glas Cola trinke? Die Antwort ist schwer und ganz sicher liegt die Verantwortung nicht beim Konsumenten allein. Aber jeder Schluck aus einer Flasche Cola, jeder Biss in ein argentinisches Rind, jeder Kauf eines T-Shirts aus Bangladesh gleicht einer Stimme. Meiner Stimme. Meiner Entscheidung, in welcher Welt ich leben möchte. Meiner kleinen Macht, die Welt zu gestalten. Natürlich trage ich Verantwortung. Nicht viel, aber ich trage sie. Ob sie leichter zu tragen ist, nur weil sie so klein ist, sei dahingestellt. Sie ist leichter zu verdrängen, zu vergessen, auch, weil Afrika, Indien und Bangladesh so schrecklich fern sind. Aber Verdrängung befreit nicht von Verantwortung. Doch warum handelt CocaCola so? Warum kommen die Industriestaaten auf dem G8-Gipfel zusammen? Warum produzieren so viele Firmen in China? Sie tun es nicht aus Bösartigkeit, sondern um ihr Unternehmen profitabel und Staaten an der Macht zu halten. Sie tun es um Gewinn und politischen Einfluss zu maximieren. Sie tun es, damit das Unternehmen nicht untergeht oder sich die Bedingungen für einen Staat nicht verschlechtern. Der europäische Wohlstand basiert irgendwie auch auf der Armut Afrikas und anderer Staaten. Unser Einfluss auf die Weltpolitik ist nur deshalb so groß, weil wir andere Länder kleinhalten. Und unsere Unternehmen gehören deshalb zu den mächtigsten der Welt, weil wir sie politisch unterstützen, durch Subventionen, durch Zölle, durch politischen Einfluss. Es geht uns gut in Europa, das ist der Status quo. Die Manager der Unternehmen wollen ihren Gewinn erhöhen, die Staaten der westlichen Welt ihre Macht halten oder ausdehnen. Deshalb treffen sie sich zum G8-Gipfel. Deshalb produziert H&M in Bangladesh. Weil sie den Status quo in Europa gut finden. Was sagt mir das? Egoismus gehört zum Menschsein dazu, sie ist ein Teil unserer Überlebensstrategie. Wenn Gerechtigkeit und Chancengleichheit mein Leben leiten sollen, dann muss ich alles dafür tun, die Armut in Afrika zu beenden, den Regenwald beschützen und Coca Cola boykottieren. Dann muss ich meine Verantwortung ernstnehmen. Dann muss ich im Juni demonstrieren gehen, gegen den G8-Gipfel, gegen die Dominanz der Industriestaaten und gegen die Festung Europa. Dann muss ich aber auch einsehen, dass diese Forderung meinem Wohlstand ein Grab schaufelt. Dass die Macht der Europäer sinken wird, dass ausländische Unternehmen voranpreschen werden, dass nicht mehr jeder in Europa ein Auto haben kann, einen Computer, billigen Kaffee, zehn T-Shirts und Digitalkameras für 99Euro. Dann muss ich selbstlos sein, auf ein Stück meines Wohlstandes verzichten. Ich muss in Kauf nehmen, dass die europäische Stimme in der Welt leiser sein wird, dass die Interessen meines Landes eine geringere Stellung haben werden. Ich muss für einen Augenblick vergessen, was für ein gutes und einfaches Leben ich hier führe, ich muss meine privilegierte Stellung aufgeben. Chancengleichheit bedeutet, dass asiatische Staaten besser dastehen könnten. Mehr Wohlstand. Mehr Macht. Und dann bin ich darauf angewiesen, das sie selbstlos sind und die ärmeren und schwächeren Staaten unterstützen. Das wäre selbstlos. Für die Gerechtigkeit. Für die Chancengleichheit. Für mein gutes Gewissen. Wenn ich bereit dazu bin und eine neue Weltordnung begrüße, dann kann ich vor den Zaun treten, der Heiligendamm abschottet und Gerechtigkeit fordern. Aber dann darf ich keine Cola trinken und kein T-Shirt aus Bangladesh tragen. Und ich sollte es auch vermeiden ein Restaurant zu besuchen, das keinen Fairtradekaffee anbietet. Die andere Option wäre Egoismus. Dann sind mir die Hungertoten in Afrika egal, ebenso wie der Grundwasserspiegel in Indien, hauptsache ich habe meine Cola. Dann befürworte ich die G8 und hoffe, dass sie ihre Macht in der Welt weiter ausdehnen können. Denn das dient meinem Wohlstand, macht meine Stimme in der Welt lauter, schenkt mir billige Steaks, Hosen und Digitalkameras. Dann stelle ich mich über andere Menschen, vergesse Gerechtigkeit und sehe mich als privilegiert. Beides sind Extreme und in der Regel liegt die Wahrheit dazwischen. Absoluter Egoismus verfehlt das Ziel ebenso wie blinde Selbstlosigkeit. Gerechtigkeit ist ein wichtiger Wert, aber sie darf nicht zum Dogma werden. Die Geschichte hat Europa zu einer mächtigen Stimme gemacht und uns viel Wohlstand beschert. Der Weg dorthin wird an dieser Stelle ausgeblendet. Wir müssen einen Mittelweg finden zwischen Egoismus und Selbstlosigkeit. Wir müssen bereit sein die Lebensbedingungen der Menschen in Afrika, Asien und anderswo zu verbessern und dafür selber Einschränkungen hinzunehmen. Dann kostet der Kaffee halt plötzlich doppelt so viel, dann ist das so. Und vielleicht müssen auch die Politiker einsehen, dass andere Staaten auch ein Recht auf eine Stimme in der Welt haben, dass wir die Welt nicht nach unseren Maßstäben gestalten können. Selbstlosigkeit kann heilend sein. Aber gleichzeitig ist es unser gutes Recht unsere Macht und unseren Wohlstand zu halten und unsere starke Stimme in der Welt zu benutzen. „Jeder Mensch ist sich selbst am nächsten“, sagt ein altes Sprichwort. Das ist nicht populär und ein Ideal ist es auch nicht. Aber es ist realistisch. Man kann nicht verlangen, dass ganz Europa kollektiv auf Wohlstand und Macht verzichtet. Dafür ist uns der Deutsche oder der Franzose einfach näher, als der Afrikaner oder der Asiate. Das ist nicht böse gemeint, es beschreibt nur das Sein des Menschen, seine Art zu denken. Der Mensch ist auch egoistisch und man kann es ihm nicht verbieten. „Natürlich bin ich für Gerechtigkeit. Und gegen Armut und Ausbeutung...“ Ja das bin ich. Aber nicht um jeden Preis. Ich finde es wichtig, den Wohlstand der Staaten anzugleichen, Hunger und Durst zu vermeiden und Menschen nicht sterben zu lassen, nur weil sie keinen Zugang zu Medikamenten haben. Gepa Kaffee ist teurer, ich kaufe ihn trotzdem. Auch ich bin ein Mensch und ich mag die Welt, in der ich aufgewachsen bin, mag den Wohlstand und die billigen Kleider von H&M. Europa muss selbstlos und egoistisch zugleich sein. Und ich muss und darf es auch. Das ist kein Widerspruch, es ist realistisch. Selbstlosigkeit ja, aber nicht ohne eine eigene Position zu haben und dafür einzutreten. Egoismus ja, aber nicht ohne die anderen zu vergessen und schon gar nicht immer nur auf ihre Kosten. Irgendwo dazwischen liegt Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit der Welt und mir selbst gegenüber.
26
Januar
Voll gegen die Wand
von Lurg:
Mit dem Eintritt in das dritte Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung, hat sich nicht bloß eine Zahl geändert, sondern auch Perspektiven und Herausforderungen, denen sich die westliche Welt stellen muss. Information, Kommunikation und insbesondere Wissen gewinnen einen immer größeren Einfluss auf die Geschicke jedes Individuums und somit in logischer Konsequenz auch auf die Gesellschaften, deren Teile die Individuuen sind. Umso klarer mir diese Einsicht wird, desto alamierender sehe ich die missliche Lage in der sich unser Bildungssystem befindet. Die Weichen der Zukunft werden bereits im Alter von ca. 10 Jahren gestellt und nicht selten führen sie auf ein Abstellgleis, von dem es kaum eine Chance zur Umkehr gibt. Einmal abgesehen von der destruktiven Wirkung auf das einzelne Individuum entzieht dieses System auch der Gesellschaft viel Kraft, einen großen Teil ihres so wertvoll gewordenen Humankapitals. Jeder der auf diesem Gleis zu stehen kommt zählt automatisch zur marxschen "industriellen Reservearmee", so hart es klingt - zum Ballast der modernen Wissensgesellschaft. Wenn wir uns nicht irgendwann genötigt sehen wollen diesen Ballast abzuwerfen, muss ein radikales Umdenken stattfinden, und hiermit sollen nicht nur politische Entscheidungsträger sondern vielmehr die breite Öffentlichkeit in die Verantwortung genommen werden. Es ist unser aller Pflicht ein neues, effektives Bildungssystem ohne soziale Ausgrenzung, aber mit gleichen Bildungschancen für jeden, zu schaffen. Es ist ja nicht der Fall, dass es an guten, funktionierenden Beispielen mangelt. Ein Blick ins umliegende Ausland beschert uns funktionstüchtige Modelle, die seit Jahren erfolgreich praktiziert werden. Nun kann auf die horenden Kosten hingewiesen werden, die durch eine allumfassende Reform entstehen würden, zugleich sollte jedoch die Dringlichkeit dieses Unterfangen jegliche Kostenkalkulation rechtfertigen, ja sie irrelevant werden lassen. Schliesslich handelt es sich bei den entstehenden Kosten nicht um verlorenes, geschweige dann verschwendetes Geld. Das Gegenteil ist der Fall: es ist eine hochverzinste Kapitalanlage, die gerade in Zeiten guter Konjunkturdaten sinnvoll ist. Denn jedes Individuum, das nicht auf dem Abstellgleis landet, dem es gelingt sich auf dem qualifizierten Arbeitsmarkt zu platzieren ist ein doppelter Gewinn. Zum einen müssen die Subsistenzkosten nicht mehr von der Gesellschaft getragen werden und zum anderen leistet es seinen Beitrag durch die Besteuerung seines Einkommens. Gerade jetzt, bei guter konjunktureller und politischer Ausgangssituation ist die Zeit zu handeln! Die BRD benötigt diese Reform wie ein Junkie seine Drogen, um weiter zu machen, um fortzubestehen. Daher mein Appell an die Parteien: Tut wozu ihr gewählt worden seid und sichert unsere Zukunft. Wenn ihr dies nicht wollt habt ihr eure Stellung und das damit einhergehende Prestige nicht verdient und gehört ins Gesicht gespuckt und geächtet. Aber auch ein Appell an alle anderen Menschen unserer Republik: Setzt euch für eure Zukunft ein, sorgt dafür, dass dieses Thema an Präsenz gewinnt und sich die "Obrigkeit" nicht mehr drücken kann. Dabei spielt es keine Rolle ob alt oder jung. Für die Alten wird der Lebensabend sicherer und für die Jungen stehen die Sterne an jenem Abendhimmel günstiger als zuvor.
Ackermann
von Schlump
Ich bin enttäuscht. Ackermann bezahlt 3,2 Millionen Euro, damit der Mannesmannprozess vorzeitig eingestellt wird. Die Verteidigung hatte das beantragt und Staatsanwaltschaft und Gericht folgten dem Vorschlag - der Verdacht der Untreue wurde zu den Akten gelegt. Das tolle an dieser Lösung ist, dass alle Seiten zufrieden sind. Herr Ackermann weil er einem Imageschädigendem Prozess und einer eventuellen Verurteilung entgeht. Vor allem aber kann er seine Spitzenposition in der Deutschen Bank behalten, die er abgeben wollte, wäre es zu einer Verurteilung gekommen. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sind ebenfalls zufrieden und begründen die Entscheidung damit, dass das Justizsystem entlastet werden kann. Denn der Prozess hätte sich zu lange hingezogen und die möglichen Urteile würden kaum von den jetzt vereinbarten Summen abweichen. Außerdem sei die Beweislage nicht ausreichend erdrückend gewesen und das Schlimmste wäre gewesen, am Ende ohne Verurteilung und ohne Geld dazustehen. In der Tat ist die Entscheidung der Justiz rechtskonform. Artikel 153a der Strafprozessordnung enthält diese Möglichkeit und mit freikaufen habe das überhaupt nichts zu tun, beteuerte die Verteidigung. Das sehe ich anders. Und deswegen bin ich enttäuscht. Für Ackermann sind die 3,2 Millionen Eure Peanuts und genau darin liegt das Problem. Nach seinen eigenen Angaben verdient Ackermann 15 bis 20 Millionen Euro jährlich. Über 90% der deutschen Bevölkerung wäre nicht in der Lage gewesen, mal eben gut drei Millionen für gemeinnützige Zwecke zu überweisen, um einen unangenehmen Prozess einzufrieren. Das allein ist schon Unrecht. Und hat mit Ober- und Unterschicht erst mal gar nichts zu tun. Es ist ein Problem zwischen einer Führungselite und dem gemeinen Volk. Es ist einem Arbeitslosen einfach nicht zu erklären, warum fünf Millionen Menschen ohne Job sind und Ackermann im Jahr mindestens 15 Millionen verdient. Selbst wenn er 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag arbeiten würde, entspräche das einem Stundenlohn von 1700€. Das ist deutlich mehr, als eine Krankenschwester im Monat verdient. Nun kann man argumentieren, dass Ackermann einen verantwortungsvollen Job macht. Er leitet das größte Kreditinstitut Deutschlands, trägt die Verantwortung für ca. 65.000 Arbeitsplätze und bis zum dritten Quartal erwirtschafteten seine Mitarbeiter mit ihm an der Spitze ca. 6,3 Milliarden Euro Gewinn. Natürlich trägt Herr Ackermann Verantwortung. Das ist richtig. Vielleicht mag das Jahresgehalt unter diesen Gesichtspunkten sogar angemessen sein, aber darüber kann man streiten. Nun steckt in Verantwortung aber nicht nur Gewinnmaximierung und der Umbau der Deutschen Bank zum global Player. Darin liegt auch Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit gegenüber den Mitarbeitern, den Kunden, ja selbst gegenüber der Gesellschaft. Und diesem Aspekt der Verantwortung wird Ackermann nicht gerecht. Als Mannesmann Opfer der feindlichen Übernahme durch Vodafone wurde, hat Ackermann allem Anschein nach keine rühmliche Rolle gespielt. Ob Unrecht geschehen ist, das sollte im Gerichtsverfahren geklärt werden. Ackermann hätte Verantwortung übernehmen können für seine Taten und den Menschen erklären, warum er so gehandelt hat. Stattdessen nimmt er gut drei Millionen Euro und kauft sich aus der Verantwortung vor Gericht frei, mit jenem Geld, das er bekommt, weil er einen verantwortungsvollen Job hat. Juristisch mag Ackermann sich nicht freigekauft haben, in meinem Empfinden aber, hat er genau das getan. Deshalb bin ich enttäuscht. Nun ist klar, dass sich niemand selbst ans Messer liefert, auch Ackermann nicht. Dass er kämpfte und versuchte dem Verfahren zu entgehen, mag angesichts der großen Verantwortung und Führungsstärke Zeichen eines schwachen Rückgrats sein. Vor allem aber ist es menschlich und das steht auch Ackermann zu. Die Selbstlosigkeit mag edel sein, verbreitet ist sie unter Menschen nur selten. Gerade deshalb muss Aufgabe der Justiz sein die Wahrheit ans Licht zu bringen, auch gegen den Willen der Angeklagten. Es ist ihre Aufgabe Recht walten zu lassen und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Vor allem aber werden die Urteile im Namen des Volkes gesprochen, denn die Paragrafen nach denen die Richter urteilen, sind Gesetze des Volkes. Deutschland ist eine Demokratie, aber das scheinen die Düsseldorfer Richter vergessen zu haben. Sie urteilten einzig nach dem Kriterium der Rechtskonformität und ignorierten die öffentliche Meinung. Der Mannesmannprozess war der größte Wirtschaftskrimi der deutschen Nachkriegsgeschichte und seine Signalwirkung war beispiellos. Was dort geschrieben wurde, war Rechtsgeschichte. Nach meinem Gefühl gab es kaum jemanden, der die Einstellung des Verfahrens begrüßte. Es ist Unrecht geschehen, warum wird es nicht geahndet? Weil der Angeklagte über das nötige Kleingeld verfügte? Es ging um mehr, als nur um Ackermann. Es ging um das Problem der Managergehälter, um knapp 5 Millionen Arbeitslose und das Gefühl vieler Menschen, dass die obere Elite machen könne, was sie wolle. Ich hätte ein Exempel erwartet, ein „Stopp“ für die Ackermänner und zwar im Namen des Volkes. Es ging nicht nur um Untreue. Mir ging es nicht nur darum. Den Düsseldorfer Richtern schon. Ansonsten hätten sie das Verfahren fortgeführt, egal was am Ende rausgekommen wäre. Ich bin enttäuscht. Nun ist natürlich nicht Aufgabe der Justiz dem Volk nach dem Mund zu reden. Auf keinen Fall. Gerichtsurteile haben die Aufgabe geltendes Recht zu vollstrecken. Doch im Mannesmannprozess entschieden sich die Richter zur Einstellung des Verfahrens, einen ersichtlichen Grund, gab es dafür nicht. Die öffentliche Meinung verlangte einen Prozess, aber die Richter haben sie ignoriert. Sie hatten eine Wahl. Darum geht es. Die Fortführung des Verfahrens wäre genauso rechtskonform gewesen und das ist der Skandal. Eben weil die Justiz im Namen des Volkes urteilt und eben weil die öffentliche Meinung so aufgeheizt war und weil es um mehr ging, als um Ackermann, hätte das Düsseldorfer Gericht die Pflicht gehabt den Prozess zu führen. Weil Urteilen manchmal mehr ist als Paragrafen zu erfüllen. Der Glaube in das deutsche Rechtsystem hat einen Kratzer bekommen. Was bleibt ist das Gefühl, dass bei der Mannesmannübernahme durch Vodafone Unrecht geschehen ist. Es bleibt das Gefühl, dass sich durch Geldzahlungen Türen öffneten, die ansonsten verschlossen geblieben wären. Kleinanleger wurden um ihr Geld gebracht, Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze und das Unternehmen selbst um seine Zukunft. Was bleibt sind Wut und Enttäuschung. Über die Herren Richter, denen es nur um Rechtskonformität ging und nicht um Gerechtigkeit. Was bleibt ist das Gefühl, dass es Eliten in Deutschland gibt, die machen können, was sie wollen, auch wenn es Unrecht ist.
25
Januar
Der Weg wird beschrieben
von Lurg
Immer wieder wenn ich mir Medien anschaue stelle ich fest, dass die mediale Welt selten das behandelt was mich interessiert, geschweige denn, dass die dort auftauchenden Meinung die meinigen sind. Ich vermute Schlump geht es ähnlich. Es muss nicht verwunderlich sein. Meinungen sind etwas so facettenreiches, dass sich immer kleine Unterschiede herausstellen. Doch eines steht für mich fest und das ist die Dominanz von Menschen höheren Alters innerhalb der Medien. Diese Tatsache erklärt für mich plausibel, weshalb ich mich so selten wiederfinde in dem, was dort publiziert wird. Als Konsequenz dieses Missstandes entsteht nun dieser Blog. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälft stellt unser Bedürfniss unsere eigenen Meinungen, Ideen, Visionen und vielleicht auch die ein oder andere Lösung darzustellen. Nichts liegt mir ferner als dieses permanente wiederkauen von bereits Dagewesenem. Ich fühle mich und meine Generation innerhalb der Gesellschaft unterrepräsentiert. Alles was geschieht, geschieht immer auch für alle, die existieren oder existieren werden, gerade deshalb ist es wichtig, sobald man eine gewissen Mündigkeit erreicht hat, seine Meinung kund zu tun, aktiv mitzuwirken anstatt teilnahmslos hinterherzutrotten. Das so schön beschriebene Marschgepäck will nicht bekehren oder belehren, es will den Prozess der Reise unterstützen. Wir sagen was wir denken und hoffen Euch dadurch selbst zum Denken zu animieren. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf Wahrheit, denn entgegen einem schönen Werbeslogen einer deutschen Boulevardzeitung: "Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht!", sehe ich "Wahrheit" als ein Element der Mathematik. Außerhalb der Mathematik gibt es soetwas wie "die Wahrheit" nicht, es gibt Meinungen und jede einzelne von ihnen ist für eine bestimmte Person wahr oder falsch. Einzig eine Tautologie hat einen logischen Wahrheitsanspruch, aber diese sind leider für Informationsaustausch recht ungeeignet. Von daher mögt unsere Meinungen oder mögt sie nicht, hauptsache ihr bildet euch eine eigene ;)
Erste Schritte
von Schlump
Was heißt es eigentlich zu leben? Es heißt auf die Reise zu gehen. Sich aufzumachen und die Welt zu entdecken. Es heißt losgehen und weitergehen, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Zu leben bedeutet, unterwegs zu sein und eigentlich ist das schon alles. Wer auf eine Reise geht packt vorher seine Koffer. Dahinein kommen all jene Dinge, die für die Reise wichtig oder gar unentbehrlich sind. Doch auf die Welt kommen wir ohne Gepäck. Nackt und schreiend treten wir die Reise unseres Lebens auf dieser Erde an, ohne Koffer, ohne Habseligkeiten, ohne Anleitung. Wir haben nur uns selbst, Körper und Geist. Das Ziel der Reise ist immer die Reise selbst und der Sinn des Lebens liegt zwischen Geburt und Tod, denn obwohl der Tod das Ende des Lebens ist, ist er nicht sein Ziel. Doch worin finde ich das Ziel meines Lebens, wenn das Ziel des Lebens das Leben selbst ist? Wahrscheinlich muss ich ihn mir selbst geben, den Sinn und damit das Ziel. Sinn-Angebote gibt es jeden Tag zuhauf. Hunderte begegnen mir jeden Morgen beim Lesen der Zeitung. Die Wissenschaft verkauft sich als unabhängig und objektiv und sie ist dem Sinn auf der Spur. Er liegt irgendwo zwischen menschlichem Genom und Paralleluniversenphysik, für den Durchschnittsmenschen keine große Hilfe. Die Kirche schickt Jesus ins Rennen oder Mohammed oder Buddha, auch wenn der selbst gar kein Prophet sein wollte. Religionen verkaufen Werte, Zugehörigkeit und Rituale. Ideologien, Linke wie Rechte, Marxisten, Militaristen und Anarchisten unterbreiten mir jeden Tag aufs Neue ein Sinn-Angebot für mein Leben. Hinzu kommen Freunde und Familie. Der Beruf möchte auch gerne mein Lebenssinn sein, das Geld lockt mit Reichtum und der Möglichkeit sich alles kaufen zu können, auch wenn gerade dort, der Sinn oft verloren geht. Das Sinn-Angebot ist so riesig und vielfältig, dass es unüberschaubar ist. Ich kann eigentlich alles zum Sinn meines Leben machen und wenn es die Herde wild rammelnder Kaninchen in meinem Garten ist. Soweit so gut. Aber wo ist es denn nun, mein Ziel? Ich habe keinen Sinn in meinem Leben, es sei denn, die Suche nach dem Sinn ist der Sinn. Aber beißt sich die Katze dann nicht selbst in den Schwanz? Egal, mit solch nebensächlichen Fragen kann ich mich nicht beschäftigen, dafür ist das Leben zu kurz. Ich mache mich also auf die Reise auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, so wie es viele Millionen Menschen vor mir getan haben. Ich gehe los, denn das bedeutet doch zu leben. Ich entdecke die Welt, schaue unter jeden Stein, der mir begegnet, stelle Fragen und möchte Verstehen. Ich möchte reisen, in Bewegung sein, „on tour“, wie man neudeutsch so schön sagt. Allerdings gefällt mir „unterwegs sein“ trotzdem besser. Also packe ich meine Koffer, denn ich gehe ja auf Reisen. Aber was tue ich hinein? Was braucht ein Abenteurer wie ich, für die Expedition in die Geheimnisse des Lebens? Was ist wichtig für die Suche nach dem Sinn, was gar unentbehrlich? Mut gehört dazu. Ohne Mut würde ich gar nicht erst losgehen. Vertrauen. In mich, in die Welt, in das Leben. Den Verstand nehme ich auch mit. Er bewahrt vor Tollkühnem und ist für Erklärung und Logik zuständig. Daneben lege ich die Intuition. Keine Ahnung, ob es sowas wirklich gibt, aber meine Innere Stimme war schon zu oft zu laut, als das ich sie Zuhause lassen könnte. Besonnenheit und Umsicht kommen auch mit, auch wenn der Koffer langsam voll wird. Aber sie schützen vor Affekthandlungen und lassen mich Ruhe bewahren, besänftigen den ersten Ärger und helfen einen klaren Kopf zu behalten. Und schließlich darf das Notstromaggregat, die Hoffnung, nicht fehlen, sollte ich einmal am Boden zerstört sein, ohne Zukunft, ohne Perspektive. Wenn Mut, Vertrauen, Vernunft, Intuition und Umsicht an ihre Grenzen stoßen und das werden sie tun, dann nimmt die Hoffnung ihren Platz für eine Weile ein. Ohne Hoffnung schafft man nicht mal den ersten Berg. Da steht es also mein Gepäck für die Reise meines Lebens. Mein Marschgepäck. Mein Wanderrucksack, meine Ausrüstung. Ich schnalle es mir über den Rücken und in der Tat, das Marschgepäck motiviert. Ich reise nicht alleine. Jetzt fehlt nur noch eins: Der erste Schritt.
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